Wie können Gamer_innen die Welt zu einem besseren Ort machen?
von Fabian Delago
Unzählige Probleme – unzählige Chancen
Wir leben in einer Welt, in der wir uns mit Problemen wie Klimaerwärmung, Armut, Überbevölkerung oder Naturkatastrophen beschäftigen müssen. Maßnahmen wie die Abschaltung von Atomenergie-Reaktoren bestehen, um beispielsweise der Umwelt weniger Schaden zuzufügen; Elektroautos werden hergestellt um der Abgasemission entgegen zu wirken, Verpackungen von Produkten werden aus nachhaltigen Stoffen gemacht. Gamer_innen können diese Entwicklung unterstützen.
Was kann getan werden, um die Städte lebenswerter zu machen?
Städte sind oftmals Ballungszentren für derartige Probleme, denn dort leben viele Menschen und sind oft selbst Auslöser dafür. Um die Lebensqualität in Städten zu verbessern und allgemein die Umwelt zu schonen, ist beispielsweise der Ausbau von Fahrradstraßen nötig. Die Einwohner_innen der Städte sind so motiviert, sich öfter mit dem Fahrrad als mit dem Auto fortzubewegen, um den Abgaswert zu senken.
Der Digitale Zwilling
Eine Antwort auf unsere Probleme sind “Digitale Zwillinge”. Es handelt sich dabei um eine maßgetreue, virtuelle Abbildung einer Stadt mit ihrem eigenen Ökosystem. Sie simuliert Gebäude, Lebewesen, Wetter und weitere notwendige Aspekte. So können mögliche Maßnahmen in einer originalgetreuen Umwelt ressourcenschonend simuliert werden, ohne sie in der realen Welt testen zu müssen. Das spart Zeit, Geld und schützt außerdem vor negativen Auswirkungen, falls eine Maßnahme nicht funktionieren sollte. Des Weiteren können Prognosen und Analysen erstellt werden, um beispielsweise eine Katastrophe vorherzusagen und dieser vorzubeugen.
Helsinki beispielsweise ist mittlerweile schon so weit, dass die Stadt nahezu vollkommen digitalisiert wurde. Dabei handelt es sich um mehr als nur eine originalgetreue Abbildung: Ziel ist die Simulation einer dynamischen und lebendigen Umgebung, in der das Verhalten von Luft, Wasser, Licht, Verschmutzung und Lebewesen abgebildet ist. Der digitale Zwilling ist z.B. in der Lage Wind und dessen Auswirkung zu simulieren.
Auch Ingolstadt ist mit dem Projekt “SAVeNoW” schon mit der Erstellung eines digitalen Abbilds der Stadt beschäftigt. Bei diesem Projekt steht das autonome Fahren im Mittelpunkt und es wurden Verkehrssituationen, Ampeln und dergleichen simuliert, um das Verhalten von autonomen Fahrzeugen analysieren zu können. Außerdem soll durch den Digitalen Zwilling auch die allgemeine Verkehrssicherheit und -effizienz verbessert werden.
Wo kommen die Gamer_innen ins Spiel?
Das Werteversprechen und die Gefahren virtueller Welten
Videospiele werden oft mit gemischten Gefühlen betrachtet: für Einige sind sie die Flucht in eine alternative Welt, um Problemen des realen Lebens zu entfliehen oder sich nach einem Arbeitstag einfach zu entspannen. Andere sehen die Gefahr, sich in diesen virtuellen Welten zu verlieren und so den Bezug zur realen Welt und zum sozialen Umfeld zu verlieren.
In Japan gibt es sogar einen Begriff für derartig sozial distanzierte Menschen: Hikikomori. Diese Personen leben zwar nicht zwangsweise nur in Videospiel-Welten, haben sich aber nahezu vollkommen in ihr Heim zurückgezogen und beschränken den Kontakt zur Gesellschaft auf ein Minimum.
Lernen in virtuellen Welten
Gaming hat trotzdem sehr viele positive Aspekte im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext zu bieten. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass durch das Spielen von Games Reaktionsfähigkeit, Koordinationsfähigkeit, Kopplungsfähigkeit, Kreativität und andere Eigenschaften verbessert werden.
Kognitives Lernen hat zum Beispiel den Sim-Racer Enzo Bonito dazu befähigt, den Rennfahrer Lucas Di Grassi auf einer echten Rennstrecke in einem Rennen auf Zeit zu schlagen.
Minecraft als Lehrmittel
Mittlerweile nutzen auch Schulen vermehrt das Spiel “Minecraft” als Lehrmittel genutzt. Es wurde sogar eine Organisation namens “MinecraftEdu” (https://education.minecraft.net/) gegründet, um Lehrkräfte zu unterstützen. Das Spiel kann z.B. dazu genutzt werden, um Matheverständnisse spielerisch aufzubauen. Der Nachhilfelehrer Oliver Planner z.B. nutzt Minecraft, um Flächenberechnung zu lehren.
Kann Gaming die Welt zu einem besseren Ort machen?
Aus Sicht der Gaming-Industrie ist der kommerzielle Umweltgedanke jedenfalls von Vorteil. Durch umweltbewusstes Handeln steigt der Ruf der Branche z.B. bei Eltern – und dadurch auch der Absatz. Wenn Kinder und Jugendliche umweltfreundliche Gaming-Produkte konsumieren, dann führt das bei ihnen zu einem erhöhten Umweltbewusstsein. Die neue Spielekonsole XBox Series S von Microsoft beispielsweise besitzt kein CD-Laufwerk mehr, was zu weniger verkauften CDs führt – das wiederum schützt die Umwelt vor noch mehr Kunststoffmüll. Auch Schnittstellen zwischen der Gaming-Industrie und anderen Branchen, wie z.B. der Automobilindustrie, kann für beide Parteien von Vorteil sein. Rennspiel-Entwickler können von der Erfahrung der Autoindustrie profitieren und umgekehrt. Daraus entstehen möglicherweise Ideen und Ansätze, die sich in die reale Welt integrieren lassen.
Doch nicht nur die Gaming-Branche kann ihren Teil zu einer besseren Welt beitragen, auch die Gamer_innen an sich können etwas bewirken.
In Videospielen erlerntes Wissen kann auf die echte Welt übertragen werden.
Knowledge is the only real superpower!
In Spielen wie Roblox, SIMS, Animal Crossing, Age of Empires oder Minecraft befassen sich tagtäglich Millionen Menschen mit dem Aufbau und der Verwaltung virtueller Welten unter klaren Bedingungen. Dabei sind sie in ihren Planspielen und Simulationen erfolgreich oder eben nicht – aber eine Fähigkeit erlernen alle Spieler: Resilienz. Alle erfahren, dass es besser ist, etwas zu tun und damit zu erfahren, als es zu lassen, wie es ist.
Welche Ideen entstehen bei Gamer_innen durch die Erfahrung mit solchen Spielen und wie können diese auf die Digitalen Zwillinge echter Städte übertragen werden?
Wir versuchen mit der Force of Disruption den Dialog zwischen staatlichen Stellen, der Wirtschaft und der Gamesbranche in echten Kampagnen und Events zu stärken.
Denn erfahrene Gamer_innen, wie z.B. eSportler_innen, sind mit dem Umfeld virtueller Welten vertraut und haben sehr oft auch einen hohen Anspruch auf Realismus in Games. Zusammen mit ihrer Erfahrung aus virtuellen Welten und der Motivation, Perfektion zu erreichen, bilden sie eine solide Grundlage, um echte Veränderung zu bewirken. Auch die jüngere Generation kann mit ihrer unvoreingenommenen Kreativität neue Perspektiven eröffnen. Ein Auto beispielsweise ist aus Sicht eines Kindes nicht so bedeutend für die eigene Fortbewegung wie für einen berufstätigen Erwachsenen. Oftmals hilft eine komplett neue Sicht auf die Dinge, um neue Ideen oder Problemlösungen zu entwickeln.
PWC und Force of Disruption wollen in Kooperation mit der IAA unter Verwendung von Roblox das Projekt „Future of Mobility“ ins Leben rufen. Es können Schüler_innen, Studierende und Unternehmen teilnehmen.
Das Ziel des Projekts: Ideen für die Zukunft der Mobilität im Digitalen Zwilling umzusetzen und damit erlebbar zu machen.
Jedes teilnehmende Team kann in Roblox seine eigene Welt erstellen und die Ideen gamifiziert erfahrbar machen. Die besten Ideen werden dann auf der IAA 2021 vorgestellt und möglicherweise sogar in der echten Welt realisiert.
Wer würde nicht gerne in 5 Jahren ein neues Mobilitätskonzept erleben und sagen: “Hey, das war meine Idee!“
Fazit:
Die Gaming-Welt ist ein Quell großen Potentials, welches bisher noch kaum abgeschöpft wird. Wenn die Gesellschaft realisiert, welche Möglichkeiten es dort gibt und welcher Nutzen aus Gaming gezogen werden kann, dann könnten wir bald in einer völlig anderen Welt leben.
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